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Ein Spiegel Griechenlands - Die 10 ersten Jahre hellenischer Telefonkarten

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2018-07-16 2018-07-16 16.07.2018

Lange bevor es Handys gab und noch länger bevor irgendjemand das Wort Smartphone auch nur buchstabieren konnte, gab es 1992 auch in Griechenland „eine kleine Revolution“ auf dem Gebiet der Telekommunikation. Mit der „Vergina“ wurde von der staatlichen Telefongesellschaft OTE erstmals ein Plastikkärtchen initiiert, mit dem man von öffentlichen Fernsprechern ohne Münzen telefonieren konnte. Bald schossen zu Abertausenden die entsprechenden kleinen blauen Kabinen aus dem Boden, wo man diese Telefonkarten national und international nutzen konnte. Besonders für abgelegene Regionen war dies ein riesiger Fortschritt, da zum Beispiel in den vielen kleinen Bergdörfern zuvor kaum jemand einen eigenen häuslichen Telefonanschluss sein Eigen nennen konnte.

In Deutschland hatte die Ära der Kartentelefone bereits Ende der 1980er Jahre begonnen und schnell stellte sich heraus, dass man damit nicht nur telefonieren, sondern auch die bunten Kärtchen leidenschaftlich sammeln konnte. Als ich 1994 meinen ständigen Wohnsitz in Germanien für einige Jahre nach Nafplio verlegte, hatte ich somit einen gewissen „Vorsprung“ in dieser Sache. Davon mehr – später in diesem Artikel.

Zunächst aber fiel mir die Schönheit der griechischen Karten ins Auge. Die herrlichsten Landschaften des Landes, von Meisterfotografen unter die Kamera genommen, waren hier ebenso festgehalten, wie historische Ereignisse dokumentiert. Viel besser noch als die schon ungewöhnlichen Motive auf den Ansichtskarten, die man damals anstelle von Selfies noch kaufte und weltweit verschickte. Großes Aufsehen erregten dann peu à peu die Telefonkarten von Patmos und Meteora, jede in einer Miniauflage von 2.000 Stück je Karte. Auch die Hellenen selbst hatten jetzt festgestellt, dass man diese nicht nur sammeln, sondern ungewöhnlich viel Geld damit verdienen konnte.

Zunächst zurück nach Deutschland. In dem Bewusstsein, dass alles, was von der Post oder ähnlichen Institutionen herausgegeben wird, einen „gewissen Wert erwirbt“, begann hier die „Sammlerwut“. In meiner Stadt Freiburg entstanden bis 1992 so etwa 20 kommerzielle Geschäfte mit Händlern, die sich ausschließlich mit dem An- und Verkauf von Telefonkarten beschäftigten. In einem Papierkorb am Hauptbahnhof oder Flughafen, da wo es die ersten Kartentelefone gab, konnte man mit ein bisschen Glück schon einmal 500 oder gar 1.000 DM „Katalogwert“ aus dem Abfallkorb „an Land ziehen“. Der Sprung in den Laden eines der kommerziellen Händler erbrachte dann, je nach Verkaufsgeschick, 60 – 80% des Katalogwertes „Cash“.

Zeitsprung in die frühen Jahre des 21. Jahrhunderts und zurück nach Monastiraki, den berühmtesten Klein- und Flohmarkt in Athen. Heute findet man dort keinen einzigen „Telefonkartenhändler“ mehr, damals aber waren es so an die 50 Stück. In den Abfallkörben der griechischen Hauptstadt war kaum noch eine einzige Telefonkarte zu finden, die professionellen Händler schickten Tausende von „Anschaffern“ und „Abgreifern“ nicht nur in die Straßen Athens, sondern sogar in die abgelegensten Bergdörfer. Eine gut gebrauchte „Vergina“ war nur noch um minimal 350 Euro zu erstehen, Patmos oder Meteora nicht zugänglich oder wenn, nur zu Traumpreisen von einigen Tausend Euro erhältlich.

Heute sind vielleicht noch 5, maximal 10 Sammlungen griechischer Telefonkarten der ersten 10 Jahre komplett vorhanden, und auch das hat seinen Grund. Es gab bei der Bewertung der Karten immer einen riesigen Preisunterschied – warum auch immer – zwischen ungenutzten und benutzten Exemplaren, bei den Spitzenkarten mitunter eintausend, zweitausend Euro und mehr. Die wenigen Glücklichen, die eine Patmos oder Meteora besaßen, beließen diese also in der Originalplastikfolie der OTE, um die „Postfrische“ der Karte auch beweisen zu können. Diese Plastikfolie aber war nicht weichmacherfrei und so zerbröselten die wertvollen Telecards wohl nach und nach.

Heute sind Telefonkarten weltweit im Preis verfallen, und einige wenige Sammler nebst Offerten finden sich nur noch im Internet. Ich selbst besitze eine Komplettsammlung mit allen Raritäten der ersten 10 Jahre, für die mir noch 2006 ein reicher Grieche 25.000 Euro geboten hat. Damals wollte ich nicht verkaufen, weil ich selbst relativ wohlhabend war, heute, mehr oder weniger arm, will ich dennoch meine Liebe zum Land der Hellenen nicht gegen Geld eintauschen. Schönheit und Reichtum stehen sich oft diametral entgegengesetzt gegenüber. Zu meinen Sammlungen zähle ich Tausende von Telefonkarten der weltweit verschiedensten Länder. Nicht eine einzige fasziniert mich bis heute so wie die der Griechen. Griechische Inseln und hellenische Kultur sind unverkäuflich, das sollten sich auch die heutigen Politiker an ihre Fahne heften!

Eine Briefmarke „Blaue Mauritius“ war einst für ein paar Cent zu erwerben, nun kostet sie ein paar Millionen. Telefonkarten existierten nur über einen ganz kleinen Zeitraum von vielleicht 25 Jahren. In ihrer einmaligen Schönheit dokumentieren die griechischen aber für mich den Zeitgeist eines großen, starken Kulturvolkes. Schade, dass es aus rein kommerziellen Gründen heute nur noch so wenige davon gibt.